Bild, Urbild & Co.: Die visuelle Anleitung, die in jeder Vorlesung fehlt
Definitionsmenge, Wertemenge, Bild, Urbild, strenges Bild – endlich verstehen statt auswendig lernen. Mit interaktiven Visualisierungen.
Warum scheitern so viele an Bildern und Urbildern?
In der Analysis und Diskreten Mathe stolpern Studierende über Begriffe, die eigentlich simpel sind:
- Was ist der Unterschied zwischen Wertemenge und Bildmenge?
- Warum kann das Urbild mehrere Elemente haben?
- Was bedeutet "strenges Bild" überhaupt?
Das Kernproblem
Die meisten Vorlesungen werfen Definitionen auf die Tafel, ohne zu zeigen, was diese Begriffe bedeuten. Hier bekommst du visuelle Klarheit – mit interaktiven Diagrammen.
Die Grundlagen: Was ist eine Funktion?
Eine Funktion ist eine Zuordnung, die jedem Element aus genau ein Element aus zuordnet.
Beispiel: Funktion f: A → B
Jedes Element aus A wird auf genau ein Element aus B abgebildet
Funktionen als spezielle Relationen
Eine Funktion ist eigentlich eine Relation mit zwei besonderen Eigenschaften:
1. Linkstotal (total / defined everywhere)
Jedes Element der Definitionsmenge hat ein Bild.
- Bedeutung: Keine "Lücken" – jedes Element links hat mindestens einen Pfeil
- Im Diagramm: Jedes Element auf der linken Seite hat einen ausgehenden Pfeil
- Intuitiv: Die Funktion ist überall definiert
2. Rechtseindeutig (functional / well-defined)
Jedes Element der Definitionsmenge hat höchstens ein Bild.
- Bedeutung: Keine Verzweigungen – jedes Element links hat höchstens einen Pfeil
- Im Diagramm: Von jedem Element auf der linken Seite geht maximal ein Pfeil aus
- Intuitiv: Die Funktion ist eindeutig bestimmt
Funktion = Linkstotal + Rechtseindeutig
Linkstotal + Rechtseindeutig = Funktion
- Linkstotal: Jedes Element links (Definitionsmenge) hat mindestens einen Pfeil
- Rechtseindeutig: Jedes Element links hat höchstens einen Pfeil
- Zusammen: Jedes Element links hat genau einen Pfeil → Funktion!
Beispiele: Was ist eine Funktion, was nicht?
✓ Linkstotal + Rechtseindeutig = Funktion
Jedes Element hat genau einen Pfeil → Funktion ✓
✗ Nicht linkstotal (Element 2 hat keinen Pfeil)
Element 2 hat keinen Pfeil → KEINE Funktion (nicht linkstotal)
✗ Nicht rechtseindeutig (Element 1 hat zwei Pfeile)
Element 1 hat zwei Pfeile → KEINE Funktion (nicht rechtseindeutig)
Abgrenzung: Links vs. Rechts
Linkstotal & Rechtseindeutig beschreiben die Definitionsseite (links):
- Linkstotal: Jedes Element links hat einen Pfeil
- Rechtseindeutig: Jedes Element links hat höchstens einen Pfeil
Surjektiv & Injektiv beschreiben die Werteseite (rechts):
- Surjektiv: Jedes Element rechts wird getroffen
- Injektiv: Jedes Element rechts wird höchstens einmal getroffen
Diese Konzepte ergänzen sich – sie betrachten verschiedene Aspekte der Funktion!
Die drei Mengen im Überblick
1. Definitionsmenge (Domain) – Die Eingabemenge
Die Definitionsmenge (auch oder ) ist die Menge aller Eingabewerte, für die die Funktion definiert ist.
- Beispiel: Bei ist die Definitionsmenge
- Im Diagramm: Alle Elemente auf der linken Seite
- Wichtig: Jedes Element der Definitionsmenge muss ein Bild haben (linkstotal)
2. Wertemenge (Codomain) – Die Zielmenge
Die Wertemenge ist die Menge, in die abgebildet wird. Sie gibt an, welche Werte theoretisch als Funktionswerte möglich sind.
- Beispiel: Bei ist die Wertemenge
- Im Diagramm: Alle Elemente auf der rechten Seite
- Wichtig: Die Wertemenge kann größer sein als die Menge der tatsächlich erreichten Werte
3. Bildmenge (Image/Range) – Die erreichten Werte
Die Bildmenge (auch ) ist die Menge der Werte, die tatsächlich als Funktionswerte auftreten.
- Beispiel: Wenn , dann ist (nicht !)
- Im Diagramm: Nur die Elemente rechts, die mindestens einen Pfeil erhalten
- Wichtig: Es gilt immer (Bildmenge ist Teilmenge der Wertemenge)
Häufigster Fehler
Wertemenge ≠ Bildmenge!
Die Wertemenge ist die Zielmenge – was theoretisch erreicht werden könnte.
Die Bildmenge ist die Menge der Werte, die tatsächlich erreicht werden.
Im Beispiel oben: , aber – das Element wird nie getroffen!
Bild einer Teilmenge
Das Bild einer Teilmenge ist die Menge aller Werte, auf die Elemente aus abgebildet werden:
Bild der Teilmenge M = {1, 3}
f({1,3}) = {a,b} — Die Menge der Werte, auf die {1,3} abgebildet wird
Wichtig: Auch wenn und , ist – es werden beide Zielelemente gesammelt!
Urbild einer Teilmenge
Das Urbild einer Teilmenge ist die Menge aller Elemente, die auf abgebildet werden:
Urbild der Teilmenge N = {b}
f⁻¹({b}) = {2,3} — Alle Elemente, die auf b abgebildet werden
Urbild kann leer oder mehrelementig sein
- Leer: Wenn kein Element auf abbildet. Beispiel:
- Mehrelementig: Wenn mehrere Elemente dasselbe Ziel haben. Beispiel:
- ist KEINE Umkehrfunktion! Es ist nur eine Notation für das Urbild.
Strenges Bild vs. normales Bild
Das strenge Bild (oder Restriktion) einer Teilmenge betrachtet nur die Funktionswerte innerhalb der Zielmenge:
Strenges Bild: f(M) ∩ N mit M={1,2}, N={a,c}
f({1,2}) = {a,b}, aber f({1,2}) ∩ {a,c} = {a}
Unterschied:
- Normales Bild:
- Strenges Bild mit :
Das strenge Bild filtert nur die Werte, die sowohl im Bild als auch in liegen.
Interaktives Beispiel: Erkunde selbst!
Interaktive Funktion: Klicke auf Elemente!
Klicke auf ein Element links → sieh das Bild. Klicke rechts → sieh das Urbild!
💡 Klicke auf Elemente, um Bild und Urbild zu sehen
Probier es aus:
- Klick auf (links): Bild ist
- Klick auf (rechts): Urbild ist – beide bilden auf ab!
Die wichtigsten Eigenschaften von Bild und Urbild
Rechenregeln für Bild und Urbild
Bild von Vereinigungen
f(M₁ ∪ M₂) = f(M₁) ∪ f(M₂). Das Bild einer Vereinigung ist die Vereinigung der Bilder.
Urbild von Vereinigungen
f⁻¹(N₁ ∪ N₂) = f⁻¹(N₁) ∪ f⁻¹(N₂). Gilt auch für Urbilder!
Urbild von Schnitten
f⁻¹(N₁ ∩ N₂) = f⁻¹(N₁) ∩ f⁻¹(N₂). Urbilder vertragen sich gut mit Schnitten.
Bild von Schnitten — ACHTUNG!
f(M₁ ∩ M₂) ⊆ f(M₁) ∩ f(M₂), aber nicht immer Gleichheit! Nur bei injektiven Funktionen.
Typischer Klausurfehler
FALSCH:
RICHTIG:
Gegenbeispiel: , ,
- ,
Nicht gleich! ❌
Injektiv, Surjektiv, Bijektiv – visuell
Injektiv (eineindeutig)
Verschiedene Eingaben → verschiedene Ausgaben. Keine zwei Pfeile treffen dasselbe Ziel.
Injektive Funktion
Jedes Zielelement wird maximal einmal getroffen → injektiv ✓
Surjektiv (onto)
Jedes Element der Wertemenge wird getroffen. Bildmenge = Wertemenge.
Surjektive Funktion
Jedes Element aus B wird mindestens einmal getroffen → surjektiv ✓
Bijektiv (eineindeutig und onto)
Injektiv und surjektiv. Perfekte Paarung – jede Eingabe hat genau eine Ausgabe, jede Ausgabe genau eine Eingabe.
Bijektive Funktion
Perfekte 1:1-Zuordnung → bijektiv ✓ (injektiv + surjektiv)
Bijektiv = Umkehrbar
Nur bijektive Funktionen haben eine echte Umkehrfunktion !
Bei injektiven Funktionen: Urbild ist eindeutig (höchstens ein Element). Bei surjektiven Funktionen: Urbild ist nie leer (mindestens ein Element). Bei bijektiven Funktionen: Urbild ist immer genau ein Element → Umkehrfunktion existiert!
Zusammenfassung: Die wichtigsten Begriffe
Mengen einer Funktion
- Definitionsmenge : Alle Eingabewerte, für die definiert ist
- Wertemenge : Die Zielmenge, in die abgebildet wird
- Bildmenge : Die tatsächlich erreichten Werte (Teilmenge von )
Bild und Urbild
-
Bild : Wohin werden die Elemente aus abgebildet?
- "Was kommt raus?"
-
Urbild : Welche Elemente bilden auf ab?
- "Was geht rein?"
- Wichtig: ist hier nur Notation, nicht die Umkehrfunktion!
-
Strenges Bild: – zusätzlich auf gefiltert
Funktionseigenschaften
Definitionsseite (links):
- Linkstotal: Jedes Element aus hat ein Bild
- Rechtseindeutig: Jedes Element aus hat höchstens ein Bild
- → Funktion: Linkstotal + Rechtseindeutig
Werteseite (rechts):
- Injektiv: Verschiedene Eingaben → verschiedene Ausgaben
- Surjektiv: Jedes Element aus wird getroffen ()
- Bijektiv: Injektiv + Surjektiv → Umkehrfunktion existiert
Praktische Tipps für die Klausur
So löst du Bild/Urbild-Aufgaben in 3 Schritten
Zeichne das Diagramm
Links Definitionsmenge, rechts Wertemenge, Pfeile für die Zuordnung. Visualisierung ist der Schlüssel!
Markiere die fragliche Teilmenge
Bild gesucht? Markiere Quellmenge links. Urbild gesucht? Markiere Zielmenge rechts.
Folge den Pfeilen
Bild: Folge Pfeilen nach rechts, sammle Ziele. Urbild: Folge Pfeilen rückwärts, sammle Quellen.
Pro-Tipp
Verwechsle nie: (Urbild, immer definiert) mit der Umkehrfunktion (nur bei bijektiven Funktionen).
Die Notation ist verwirrend, aber: Urbild ≠ Umkehrfunktion!
Key Takeaways
- Definitionsmenge: Alle Eingaben ()
- Wertemenge: Alle möglichen Ausgaben ()
- Bildmenge: Alle tatsächlich erreichten Ausgaben ()
- Bild : Wohin werden Elemente aus abgebildet?
- Urbild : Welche Elemente bilden auf ab?
- Strenges Bild: – zusätzlich gefiltert
- Injektiv: Verschiedene Eingaben → verschiedene Ausgaben
- Surjektiv: Bildmenge = Wertemenge (alles wird getroffen)
- Bijektiv: Injektiv + Surjektiv → Umkehrfunktion existiert
Nächste Lesson
Äquivalenzrelationen und Partitionen – wie Relationen Mengen in disjunkte Klassen aufteilen.
Fragen zur Lesson?
Diskutiere im bilabs Discord über diese Lesson, stelle Fragen oder teile deine Lösungsansätze.
Discord beitreten