Mengenlehre-Beweise verstehen: Die 3-Schritte-Methode, die immer funktioniert
Die 3-Schritte-Methode für Mengenbeweise und wie du mit dem Schubfachprinzip unmögliche Aufgaben löst – inkl. Beweistechnik-Cheatsheet.
Warum scheitern 90% an Mengenbeweisen?
Du sitzt in der Klausur. Aufgabe: "Beweisen Sie: ".
Dein Kopf: Leere.
Das Problem ist nicht, dass du nicht weißt, was Teilmengen sind. Das Problem: Du weißt nicht, wie man formal aufschreibt, was offensichtlich ist.
Das Kernproblem
Mengenbeweise scheitern nicht an der Logik, sondern am formalen Aufschreiben. Die meisten verstehen intuitiv, warum etwas gilt – kriegen es aber nicht sauber aufs Papier.
Die Anatomie eines Mengenbeweises
Jeder Mengenbeweis folgt demselben Schema:
Formell: Ein Beweis ist eine Kette logischer Implikationen von der Voraussetzung zur Behauptung.
Unformell: Du nimmst dir ein beliebiges Element und zeigst, dass es tut, was es soll.
Die 3-Schritte-Methode für jeden Mengenbeweis
Schritt 1: Teilmengenbeweise aufteilen
beweisen heißt: UND zeigen
Behauptung:
(i) Zeige: (ii) Zeige:
Schritt 2: Element-für-Element arbeiten
Nimm ein beliebiges aus der ersten Menge:
Sei beliebig.
→ oder (Definition ) → Falls : Da gilt → Falls : Bereits fertig → Also ✓
Schritt 3: Rückrichtung nicht vergessen
Auch wenn's trivial scheint – aufschreiben!
Sei beliebig.
→ ( ist Teilmenge der Vereinigung) → Also ✓
Aus (i) und (ii) folgt: ■
Häufigster Fehler
Viele schreiben nur "ist klar" oder "trivial". In der Klausur: 0 Punkte.
Regel: Auch offensichtliche Schritte müssen formal da stehen. Der Korrektor will die Definitionen sehen.
Beispiel 1: Vereinigung und Teilmenge
Aufgabe: Beweise
Richtiger vs. falscher Beweis
Richtig
Sei u ⊆ v. Zeige u ∪ v = v.
(⊆) Sei x ∈ u ∪ v → x ∈ u oder x ∈ v
Fall 1: x ∈ u. Da u ⊆ v folgt x ∈ v ✓
Fall 2: x ∈ v. Fertig ✓
(⊇) Klar, da v ⊆ u ∪ v per DefinitionIMMER beide Fälle der Vereinigung betrachten
Auch wenn einer trivial istFalsch
u ist Teilmenge von v, also ist die Vereinigung gleich v.
Das ist offensichtlich.Nur den nicht-trivialen Fall hinschreibenBeispiel 2: Komplement-Beziehungen
Aufgabe: Beweise
Das ist kniffliger! Hier brauchst du die Kontraposition.
Die Komplement-Regel
bedeutet .
Trick: Statt direkt zu zeigen, nutze oft die Kontraposition oder einen Widerspruch.
Beweis-Skizze:
- Annahme:
- Zeige:
- Sei , also
- Annahme (Widerspruch):
- Da folgt
- Widerspruch zu !
- Also , d.h. ■
Das Schubfachprinzip (Pigeonhole Principle)
Jetzt wird's interessant. Das Schubfachprinzip ist einer der mächtigsten Tricks in der Diskreten Mathematik.
Das Prinzip
Schubfachprinzip: Verteilst du n+1 Objekte auf n Schubfächer, landet in mindestens einem Fach mehr als ein Objekt.
Unformell: 11 Tauben, 10 Löcher → mindestens 2 Tauben teilen sich ein Loch.
Das Absurdistan-Problem
"In Absurdistan haben alle Bauern weniger Schafe als es Bauern gibt. Jeder Bauer hat mindestens ein Schaf. Gibt es zwei Bauern mit gleich großen Herden?"
Lösung mit Schubfachprinzip (Konkret: 5 Bauern):
Die Logik:
- 5 Bauern müssen auf 4 mögliche Werte (1, 2, 3, 4 Schafe) verteilt werden
- Nach 4 Bauern sind im Best Case alle 4 Werte belegt
- Bauer 5 muss zwangsläufig einen bereits belegten Wert nehmen
- → Mindestens 2 Bauern haben gleich viele Schafe!
Allgemein: Bauern, mögliche Schafanzahlen → Kollision garantiert
Problem formalisieren
n Bauern, jeder hat ≥ 1 und < n Schafe
Schubfächer identifizieren
Mögliche Schafanzahlen: {1, 2, 3, ..., n-1} → genau n-1 Werte
Prinzip anwenden
n Bauern müssen n-1 Werte annehmen → mindestens 2 gleich
Typische Klausur-Fallen bei Beweisen
Die 3 häufigsten Beweis-Fehler
Richtig
Bei '⇔' IMMER beide Richtungen zeigen
Bei '⇒' nur eine Richtung nötigx ∈ A ∪ B bedeutet x ∈ A oder x ∈ B
Immer hinschreiben!Bei 'oder': Beide Fälle betrachten
Bei 'und': Beides zeigenFalsch
Nur Hinrichtung zeigen und '⇔' behaupten'Ist klar nach Definition' ohne sie anzugebenNur den interessanten Fall betrachtenDer Killer-Fehler
"Aus folgt direkt..." – NEIN!
Was folgt, musst du zeigen. Nutze die Definition: bedeutet .
Transfer: So kommen Beweise in der Klausur
Klausur-Strategie
Standard-Beweise die IMMER kommen:
- Mengengleichheit ( durch und )
- De Morgan für Mengen (Komplement der Vereinigung)
- Schubfachprinzip-Anwendung
- Injektivität/Surjektivität/Bijektivität
Zeitmanagement: 10-15 Minuten pro Beweis. Struktur ist wichtiger als Eleganz!
Die Beweis-Checkliste für die Klausur
- Start: "Sei beliebig"
- Definitionen: Alle verwendeten Begriffe ausschreiben
- Fallunterscheidungen: Markant kennzeichnen (Fall 1:, Fall 2:)
- Ende: ■ oder QED nicht vergessen
Key Takeaways
- Element-Methode – Bei Mengenbeweisen immer "Sei " starten
- Beide Richtungen – Bei Gleichheit beide Teilmengen-Beziehungen zeigen
- Schubfachprinzip – Objekte auf Fächer = mindestens 2 im selben
- Definitionen hinschreiben – Auch wenn's trivial scheint
- Fallunterscheidung – Bei "oder" immer beide Fälle betrachten
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Nächste Lesson
Als Nächstes: Induktionsbeweise
Warum 90% bei der vollständigen Induktion am Induktionsschritt scheitern – und wie du mit der "n→n+1-Maschine" jeden Induktionsbeweis knackst.
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